„ Die Amis sind doch wirklich zu blöde!“

Das Problem – technisch betrachtet – war dies: Vor uns auf dem Parkplatz des Hamburger Technischen Überwachungsvereins stand ein Automobil, ein Volkswagen, Baujahr 1972. Wie ich glaubte, ein ganz normaler Käfer. Ich hatte ihn in den USA gekauft und mit zurückgenommen in die deutsche Heimat. Mir war, als wenn der Käfer wie auch sein Fahrer nun heimkehren würden an die Stätten ihrer Geburt. Das war aber, wie sich nun herausstellen sollte, eine etwas simple Betrachtung.

Der VW-Käfer war wohl in Emden gebaut, doch zugeschnitten war er auf den amerikanischen Markt. Der Motor war stärker als die Antriebsmaschinen der sonst so völlig gleichen Automobile auf den europäischen Straßen. Die PS-Zahl ließ sich noch feststellen, um den heimkehrenden Käfer einen deutschen Straßenpass auszustellen. Aber die Phonzahl… Wie laut war der Motor von Gang zu Gang bei soundsovielen Umdrehungen?

Da stand ich nun vor dem strengen Ingenieur wie jemand, der ein Auto selbst gebastelt hatte und die Obrigkeit mit dem Antrag überfiel, mit dieser neuartigen Erfindung die Sicherheit des deutschen Straßenverkehrs aufs Spiel zu setzen. Ich wurde zu Nachprüfung bestellt,  einmal und zweimal, Der Hersteller, VW, wusste übrigens nicht zur Auflösung des Rätsels beizutragen. Es hatte wohl damals für den Export in die USA keine große Rolle gespielt, wie hoch die Phonzahl eines so kleinen Autos war. Der Käfer war ja auch nicht zu laut, doch im Zulassungsschein für ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor stand nun einmal die Rubrik „Phonzahl“, und dort musste etwas Korrektes eingetragen werden.

Ich weiß nicht mehr, was am Ende die Lösung war. Um den Mann im weißen Kittel gnädig zu stimmen, habe ich mich mit ihm viel über Amerika unterhalten. Ich habe ihm schließlich sogar eins der Zulassungsschilder aus Washington vermacht, so als eine Art Anreiz, dem Käfer endlich die Hamburger Kennzeichen anzuschrauben. Nicht für sich erbat der Prüfer das Geschenk, wie er der Korrektheit halber betonte, es sei in der Dienstelle für den Gemeinschaftsraum. Wir haben uns im Verlauf so vieler Treffen natürlich auch über andere Themen unterhalten. Sein Amerika-Bild ist nicht sehr positiv gewesen, er hatte manches darüber in der Zeitung gelesen und im Fernsehen geschaut. Sein abschließendes Urteil lautete etwa so: “Die Amis sind doch wirklich zu blöde!“

„In Deutschland erschien mir plötzlich alles komplizierter, sehr grundsätzlich, die Menschheit schlecht gelaunt.“

Auszug aus dem Buch „Amerika: Der Traum vom neuen Leben / Wolf von Lojewski“

ISBN 3-455-08423-0

Der Fernsehjournalist Wolf von Lojewski hat als Korrespondent aus den Vereinigten Staaten und Großbritannien berichtet und war elf Jahre lang Frontmann des ZDF "heute-journals"